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1. Sonntag nach Trinitatis

Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. Und mit großer Kraft bezeugten die Apostel die Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Land oder Häuser hatte, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte. Josef aber, der von den Aposteln Barnabas genannt wurde – das heißt übersetzt: Sohn des Trostes –, ein Levit, aus Zypern gebürtig, der hatte einen Acker und verkaufte ihn und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.          Apostelgeschichte, Kapitel 4

Liebe Gemeinde,

 

Freundschaft, Gegenseitigkeit, Angenommen-Sein, das wünschen wir uns alle. Gleichberechtigung, Menschenwürde, Respekt: Das alles wollen wir, das wünschen wir uns und irgendwie fühlen wir, dass es uns auch zusteht. Wir wollen es bekommen. Doch wenn einer bekommt, muss ein anderer geben. Und da kommen wir dem Problem näher. Damit das Ganze funktioniert, müssen wir nicht nur annehmen, sondern auch geben. Schon Verständnis für den anderen fällt uns schwer und wenn es auf eine finanzielle Unterstützung ankommt, wird es oft unangenehm.

Beim Geld hört die Freundschaft auf, sagt ein Sprichwort. Leider trifft dieses Sprichwort auf viele Menschen zu.

Wie kommt es, dass wir in der Bibel so einen Bericht über die „Teilung der Güter“ haben? Wieso waren die Reichen von damals bereit, die Armen zu unterstützen, damit JEDER haben kann, was benötigt wird? Es hört sich seltsam an, so dass heute manche Menschen meinen, es würde der damaligen Realität nicht entsprechen. Es wäre eher so ein Wunschdenken der ersten Christen gewesen.

Traurig, dass wir nicht in der Lage sind anzunehmen, dass es Zeiten und Lebenssituationen gibt, in denen Geld nicht die Hauptrolle spielt.

Manchmal redet man über einen urchristlichen Kommunismus. Das mag stimmen, hat allerdings mit dem späteren Kommunismus des 19. und des 20. Jahrhunderts nichts zu tun. Das lateinische Wort „communis - gemeinsam“ weist auf eine Lebensart hin, in der man beiträgt, was man kann und bekommt, was man braucht. Das nennen wir nach den Erfahrungen im kommunistischen Ostblock eine „Utopie“. Der Kommunismus hier, in der damaligen DDR, ist zusammengebrochen. Warum eigentlich? Vor allem deswegen, weil er aufgezwungen wurde. Die Menschen wurden gezwungen, so zu leben, wie eine politische Partei es ihnen vorgeschrieben hat. Dazu kommt noch, dass in diesem System eben nicht alle Menschen gleich waren. Manche waren gleich, manche noch „gleicher“. Es war ein gesellschaftliches Konstrukt beruhend auf Zwang und Lüge. Etwas zwischen Diktatur und Illusion.

Wie war es wohl damals, vor 2000 Jahren? Obwohl wir da über eine urchristliche Gütergemeinschaft sprechen, ist meine Meinung nach der erste Satz unseres Berichts entscheidend: Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Es ging nicht zuerst um das geteilte Geld und die geteilten Güter, es ging in erster Reihe darum, wie die Menschen zueinander standen. Es ging um die ersten Nachfolger Christi, um Menschen, die wussten, was sie von Gott bekommen haben. Sie haben ein neues Leben angefangen und dieses neue Leben wollten sie mit anderen Gläubigen teilen. Die Idee dahinter ist: Gott gab mir alles kostenfrei, auch ich kann geben. Der Gebende hat nicht das Gefühl, dass er/sie zu kurz kommt, wenn er seine Güter teilt und der Empfangende versucht nicht, sich die Taschen vollzustopfen, nur weil es umsonst ist. Ein Millionär und ein Bettler können gleich sein, wenn sie sich mit Respekt und in Liebe begegnen. Eigentum ist ein Wert unter vielen anderen. Was helfen einem die Millionen, wenn man sich Liebe, Freundschaft und Fürsorge kaufen muss. Dann wäre alles nur eine Dienstleistung und keine echte Beziehung.

Wie traurig, dass wir heute alles am Geld messen. Wert wird in Euro ermittelt, statt z. B. in der Einheit der Lebenszufriedenheit, der Liebe oder des Vertrauens.

„Beim Geld hört die Freundschaft auf“ ist eines der traurigsten Sprichwörter, die ich kenne. Man kann darüber lachen und sagen, dass es einfach so ist. Doch das wie das Leben „ist“, bestimmt nicht das Leben selbst, sondern der Mensch, der das Leben lebt. Ich und Du. Wir können dieses Sprichwort ändern, neu gestalten oder sogar ungültig machen.

Die Jünger in unserer Bibelgeschichte hatten andere Werte. Sie wollten miteinander vor Gott leben und das Geld war ein Mittel zum Zweck. Vielleicht können dies Liebende oder Eltern unter Ihnen verstehen, wenn man sagt, dass Menschen ein Herz und eine Seele sind. Ein Herz und eine Seele – da schaut man nicht, dass man bloß mehr bekommt als der andere. Ein Herz und eine Seele, da achtet man den anderen, wie sich selbst. Ein Herz und eine Seele, da schaut man nicht aus welcher sozialen Schicht der andere kommt.

Ein Herz und eine Seele ist viel mehr als jede politische Idee. Es ist Verbundenheit. Wer den anderen betrügt, betrügt sich selbst. Wer den anderen für weniger wertvoll hält, entwertet sich selbst. Wer den anderen bestiehlt, bestiehlt sich selbst.

In den letzten Wochen schüttelt unsere Welt nicht nur die Corona-Krankheit, sondern auch der soziale Kampf in den Vereinigten Staaten. Die Wut der benachteiligten Bevölkerung ist entflammt nach dem Tod eines jungen Mannes, der auf Grund seiner Hautfarbe so einer brutalen Behandlung seitens der Polizei ausgesetzt war, dass daran starb.

Dadurch kommt das ans Licht, was wir alle schon länger ahnen – Rassismus und Klassengesellschaft sind ein Teil unseres Alltags. Es geht nicht nur um die Vereinigten Staaten. Es geht auch um Europa und um unser Land. Hautfarbe oder Ursprungsland als Vorwand für Missachtung eines Menschen zu nehmen ist leider zur Normalität geworden. Die Würde bestimmter Menschen wird auf Grund ihres „Anders sein“ zertreten und vernichtet. Doch kein Mensch hat das Recht dazu. Die Würde des Menschen hat Gott festgelegt. Wenn wir jemanden entwürdigen, entwürdigen wir dadurch nicht ihn, sondern vor allem uns selbst… und zwar nachhaltig.

Umso schöner die biblische Geschichte. Viele der ersten Christen waren arme Menschen oder sogar Sklaven. Gerade sie wurden unterstützt durch die reichen. Niemand war ein Mensch zweiter Klasse. Alle Menschen waren gleich. Wieso? Weil jeder Mensch von Gott geliebt wird und weil Jesus Christus für die Sünden aller Menschen gestorben ist. Reichtum, Ursprung, Bildung und Haut-, Haar- oder Augenfarbe spielen dabei keine Rolle.

Eine unterschwellige gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kann auch in uns lauern und sich zuerst nur durch eine undefinierbare Unzufriedenheit äußern. Doch sie kann später im richtigen Augenblick erwachen in einer ungeahnten Monstrosität.

Die ersten Christen können uns heute ein Vorbild sein. In einer vollkommen ungerechten Gesellschaft hat sich eine Gruppe gefunden, die der Ungerechtigkeit durch das eigene Verhalten ein Ende gesetzt hat. Reiche, Arme, Freie, Sklaven, Menschen vieler Hautfarben und Traditionen gingen miteinander so um, dass sie uns bis heute als Vorbild dienen können. Das wünsche ich mir für unsere Länder, die sich „christlich“ nennen. Und vor allem wünsche ich mir für unsere Gemeinden, dass sie in dieser schweren, undurchsichtigen Zeit als Licht in der Welt leuchten. Als Licht der Liebe und Gerechtigkeit. AMEN

 

Ihre Pastorin z. A. Martina Lukešová

Fürbittengebet:

Du Gott der Gerechtigkeit, höre die Rufenden!

Laut ist der Schrei nach Gerechtigkeit.

Auch wir rufen ihn in deine Ohren.

Höre, du Gott der Gerechtigkeit und sprich.

Höre und steh an der Seite der Bedrängten.

Höre und heile die Wunden der Geschlagenen.

Du Gott der Gerechtigkeit, erbarme dich.

 

Du Gott des Lebens, atme in uns!

Du hauchst deiner Schöpfung Leben ein.

Verzweifelt ringen die Gequälten nach Atem.

Sie ringen um Atem unter den Augen der Gewalttäter.

Sie ringen um Atem für ihre Kinder.

Atme mit ihnen, du Gott des Lebens.

Atme in den Schwachen und schütze ihr Leben.

Atme mit den Hoffenden und lehre sie.

Du Gott des Lebens, erbarme dich.

 

Du Gott der Liebe, erhebe dich!

Die dir vertrauen, beugen ihre Knie,

damit du das Elend beendest.

Die dir vertrauen, hoffen auf dich.

In aller Welt warten die, die dir vertrauen.

Erhebe dich und zeige uns den Weg der Liebe.

 

Erhebe dich

und verwandele mit uns und durch uns diese Welt.

Du Gott der Liebe,

du Gott des Lebens,

du Gott der Gerechtigkeit.

Höre uns und atme in uns

durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn.

AMEN

 

Wochenspruch:

Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat. Lk 10,16

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